Refine
Year of publication
- 2020 (8)
Document Type
- Article (3)
- Other (3)
- Conference Proceeding (2)
Language
- German (8)
Institute
Das Jahr 2020 wurde von der Weltgesundheitsorganisation aus Anlass des 200. Geburtstags von Florence Nightingale – Pionierin der Pflege(wissenschaft) – zum »Jahr der Pf lege und des Hebammenwesens« ausgeru-fen. Gleichzeitig läuft beim International Council of Nursing (ICN) die Kampagne »Nursing Now«. Damit will der ICN auf die entscheidende Rolle der Pflegefachkräfte für die Gesundheit aller Menschen weltweit hinweisen. Parallel und unabhängig davon wird in Deutschland derzeit ein öffentlicher und politischer Diskurs im Kontext des »Fachkräfteman-gels« in der beruflichen Pflege geführt, der stark vom Thema »Berufs-attraktivität« dominiert ist. So wichtig sowohl die Diskussionen über Attraktivitätsfaktoren wie beispielsweise das Gehalt als auch die ent-sprechenden Reformanstrengungen sind, erscheinen sie doch verkürzt. Berufsattraktivität in der Pflege kann nicht ohne Betrachtung von Profes-sionalisierungsprozessen und Ökonomisierungslogiken als relevante Ent-wicklungen in der Pf lege sowie deren widersprüchlichem Spannungsverhältnis diskutiert werden. Sowohl in wissenschaftlichen als auch in politischen Diskursen werden diese beiden Prozesse meist unabhängig voneinander verhandelt. Sie stehen jedoch in einem für die Berufsattraktivität äußerst problematischen Wechselverhältnis. Dies zu berücksichtigen, erscheint für die Zukunft der beruflichen Pflege von hoher Relevanz. Dieser Beitrag erweitert den Diskurs um Fachkräftemangel beziehungs-weise -bedarf in der Pf lege um eine differenzierte Betrachtung des hoch-
komplexen wechselseitigen Spannungsverhältnisses zwischen Ökonomie und Professionalisierung sowie dessen Auswirkungen auf die Berufsattraktivität.Um das Thema in seiner Komplexität darstellen zu können, erfolgt zunächst ein Abriss des Professionalisierungsprozesses der Alten- und (Kinder-)Krankenpflege in Deutschland. Anschließend werden die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und deren Auswirkung auf den Berufsalltag dargestellt. Die Folgen der Ökonomisierung auf den Professionalisierungsprozess und schließlich auch für die Berufsattraktivität werden anhand empirischer Daten des Forschungsverbundes ZAFH care4care – Fachkräftebedarf in der Pflege im Zeichen von Alterung, Vielfalt und Zufriedenheit1 analysiert. Daraus abgeleitet werden abschließend exemplarisch Ansatzpunkte für weitere Aushandlungsprozesse skizziert.
Vor dem Hintergrund des bundesweiten Fachkräftemangels in der Pflege verwundert es, dass Zeitarbeit innerhalb der Pflegebranche als Beschäftigungsform eine wachsende Bedeutung erhält. Allerdings funktioniert Zeitarbeit in der Pflege im Vergleich zu anderen Branchen nach anderen Logiken: Während beispielsweise im verarbeitenden Gewerbe durch den Einsatz von Zeitarbeitskräften bei schwankender Konjunktur Flexibilität gewährleistet oder Personalkosten gesenkt werden können, besteht in der Pflege ein anhaltend hoher Personalbedarf und die Kosten für Zeitarbeiter*innen übersteigen häufig die des Stammpersonals. Das in anderen Branchen üblicherweise als prekär bewertete Arbeitsverhältnis bietet Pflegefachkräften hingegen die Möglichkeit, sich dem zunehmenden Druck des Arbeitsalltags geprägt von Fachkräftemangel als individuelle (Teil-)Exitstrategie zu entziehen und gleichzeitig passende Rahmenbedingungen für den Einsatz mit den Zeitarbeitsagenturen auszuhandeln. Durch die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung sind Pflegeeinrichtungen gesetzlich verpflichtet, Fachkraftquoten trotz Fachkräftemangel einzuhalten, was den Zeitarbeitskräften entsprechende Verhandlungsmacht verleiht. Anhand empirischer Daten wird beleuchtet, wie Zeitarbeit aus der Perspektive der Einrichtungsleitungen und des Stammpersonals eingeordnet und aus welchen Gründen sie von Beschäftigten gewählt wird. Zudem wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung diese Entwicklung für die Pflegebranche insgesamt haben kann.
Zum Beispiel Pflege – Fragen an den arbeitssoziologischen Topos der Subjektivierung von Arbeit
(2020)
Pflegeberufe in stationären Einrichtungen lassen sich aufgrund ihrer formalen Verfasstheit mit Erwerbsverhältnissen außerhalb von Care-Arbeit vergleichen, gleichzeitig wohnt ihnen die Spezifik von Care-Tätigkeiten inne. Beides – Erwerbsarbeit und Care-Arbeit – unterlag in den letzten Jahrzehnten erheblichen Veränderungen. Wir fragen danach: Wie lassen sich die Veränderungen in der verberuflichten Pflege mit dem arbeitssoziologisch etablierten Diskurs der Subjektivierung von Arbeit zusammendenken? Relevant wird aus unserer Sicht dabei das Verhältnis der beiden Prozesse Subjektivierung von Arbeit und Ökonomisierung. Diese Frage diskutieren wir auf der Basis von multiperspektivischen qualitativen Betriebsfallstudien, die mit der Dokumentarischen Methode ausgewertet wurden. Als zentrales Ergebnis sehen wir eine kollektive Subjektiviertheit von Sorgetätigkeiten, die in den letzten Jahren Marktlogiken unterworfen wird. Die Unterscheidung in kollektive Subjektiviertheit im Care-Sektor und individualisierte Subjektivierung im Produktionsbereich scheint uns für die Analyse des Wandels von Erwerbsarbeit relevant. Sie hat auch Auswirkungen auf Verantwortung und Ertrag von Subjektivierung.