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„Verbringen Sie zu viel Zeit im Netz?“ (tagesschau.de, 2011) – Diese Frage wurde am 26. September auf der Startseite von tagesschau.de gestellt. 23.9% gaben an, dass sie eher wenig und sehr zielorientiert im Internet unterwegs seien. Für 43,4% ist es normal, fast ständig online zu sein und 25,5% antworteten hierauf, häufig zu denken, dass sie weniger Zeit im Netz verbringen sollten. Insgesamt wurden 9121 Stimmen abgegeben (vgl. tagesschau.de, 2011). Die Nennung dieser (nicht repräsentativen) Umfrage soll deutlich machen, dass die Häufigkeit der Internetnutzung im öffentlichen Interesse steht und auch, zumindest bei dieser Umfrage, wohl fest in den Alltag integriert ist. Etwa ein Viertel der Teilnehmer beschäftigen sich außerdem damit, dass sie ihre Nutzungszeit reduzieren sollten. Einen gänzlich anderen Aspekt der Internetnutzung bildet der folgende Erlebnisbericht eines Sozialpädagogen aus Berlin ab: „Ein 19-Jähriger, der kürzlich zu uns in die Gruppe kam, hatte über einen Zeitraum von zwei Jahren 300 Tage (in Stunden zusammengerechnet) (…) gespielt. Er war blass und kam mit deutlichem Untergewicht zu uns. Er hatte vor dem Bildschirm immer wieder vergessen zu essen. (…) Erst flog er von der Schule, lebte dann einige Zeit von Hartz IV, kam schließlich den Anforderungen des Jobcenters nicht mehr nach. Irgendwann konnte er seine Rechnungen nicht mehr zahlen, und ihm wurde der Strom abgedreht. (…) Manche Computerspieler verlassen den Computer nicht einmal mehr, um auf die Toilette zu gehen. Sie pinkeln in Flaschen, um beim Spiel nichts zu verpassen. (…) Schüler kommen nach den Ferien eine Woche zu spät in die Schule, Angestellte vergessen nach dem Wochenende wieder zur Arbeit zu gehen.“ (Wlachojiannis in Deißner 2008) Diese Art der exzessiven Nutzung hat wenig gemein mit der obengenannten Umfrage, außer dass auch hier viel Zeit mit der Internetnutzung (der beschriebene Klient spielte ein Online-Rollenspiel) verbracht wurde. Leider handelt es sich bei der obigen Schilderung nicht um einen Einzelfall. So drängt sich eine nähere Betrachtung der exzessiven Internetnutzung mit den beispielhaft benannten negativen Folgen und damit eine nähere Betrachtung der pathologischen Internetnutzung geradezu auf. Als pathologische Internetnutzung wird die krankhafte bzw. vom gesunden Umgang abweichende Internetnutzung verstanden (vgl. Kap. 3). Ein besonderes Anliegen dieser Arbeit ist es, die pathologische Internetnutzung aus Sicht der Sozialen Arbeit zu beleuchten. So nehme ich, vorerst aus persönlicher Erfahrung an, dass die Beratung pathologischer Internetnutzer häufig von Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen durchgeführt wird. Selbiges gilt für den Bereich der Prävention. Ich hege ein großes persönliches Interesse an dem Phänomen der pathologischen Internetnutzung und seinen Aspekten. So bin ich seit Januar 2011 neben dem Studium in Stuttgart bei releaseU21 angestellt, um ein Beratungsangebot für pathologische Internetnutzer zu konzipieren und die Beraterinnen und Berater in Bezug auf diese neue Herausforderung zu unterstützen. Für meine eigene Vorbereitung und Einarbeitung in das Thema besuchte ich mehrere Fachtage zum Thema, wie den Fachtag Medien - Junge Menschen auf der Grenze zwischen gesundem und problematischem Medienkonsum´ am 19.07.2011 in Stuttgart oder die Stuttgarter Tage der Medienpädagogik´ am 12.04.2011 in Hohenheim, bei welchen dieses Interesse durch verschiedene Vorträge, Diskussionen und Workshops verfestigt werden konnte. Sehr spannend war, dass es bei diesen Fachtagen die verschiedensten Auffassungen darüber gab, wie die pathologische Internetnutzung zu verstehen und einzuordnen ist, und wie man sinnvoll mit diesem Phänomen umgeht. Dieses komplexe und vielfältige Thema vertieft zu bearbeiten und strukturell zu durchdringen, erschien mir eine spannende Herausforderung, der ich mich nun in dieser Bachelorthesis zuwenden möchte. Zum Aufbau und der logischen Struktur dieser Arbeit: Dieser Einleitung folgt im zweiten Kapitel eine geschichtliche Einordung. Da es sich bei dem Internet um ein neues Medium handelt, wird zuerst ein grober Überblick über die Umbrüche der medialen Epochen mit den Medienwelten der Oralität, Literalität und Virtualität gegeben, um dann in Kapitel 2.1. näher auf das Medium Internet einzugehen. Hier wird ein Überblick über die Entwicklung von der Entstehung des Internets 1969 bis heute sowohl bezüglich der Nutzungszahlen wie auch über die Art der Nutzung gegeben. Da, wie aus der obigen Schilderung deutlich wird, pathologische Internetnutzung und die Nutzung von Computerspielen eng zusammenhängen können, erfolgt anschließend die Betrachtung der Computerspielnutzung (Kap. 2.2.). Im dritten Kapitel schließt sich die Auseinandersetzung mit der pathologisch ausgeprägten Internetnutzung an. Zu Anfang werden die verschiedenen verwendeten Begriffe im Kontext der pathologischen Internetnutzung genannt, um dann das historische Auftreten des Phänomens zu beleuchten. Anschließend werden Störungsmodelle genannt, die in der Wissenschaft diskutiert werden. Leider kann im Rahmen dieser Bachelorthesis keine ausführliche Erörterung dieser Modelle geschehen, dies würde den Rahmen sprengen. Jedoch möchte ich auf zwei Modelle eingehen, da die Ansätze dieser Störungsmodelle auch für die Soziale Arbeit von Bedeutung sind. In Kapitel 3.1 wird die Einordnung der pathologischen Internetnutzung als Mediensucht erläutert, wobei sowohl auf die Internetsucht wie auch auf die Computerspielsucht im Speziellen eingegangen wird. Die pathologische Internetnutzung wird auch als Verhaltensstörung diagnostiziert. Diese Auffassung wird in Kapitel 3.2 dargelegt. Zusätzlich zur fehlenden, einheitlich anerkannten Definition der pathologischen Internetnutzung sind verlässliche Aussagen zur Verbreitung der pathologischen Internetnutzung rar und schwer zu vergleichen. Infolgedessen werden im vierten Kapitel einige ausgewählte diagnostische Systeme vorgestellt. Nach einer Erläuterung und Beurteilung dieser in Kapitel 4.1 wird auf die festgestellten Prävalenzraten in Deutschland eingegangen (Kap. 4.2). Das fünfte Kapitel beinhaltet eine genauere Beschäftigung mit verschiedenen Risikofaktoren für das Auftreten einer pathologischen Internetnutzung. Auf deren Darstellung folgt eine genauere Betrachtung und Diskussion der umstrittenen oder kaum erforschten Risikofaktoren wie beispielsweise Online-Rollenspiele (Kap. 5.1 – Kap. 5.10). In einem weiteren Schritt werden mögliche Schutzfaktoren, welche die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer pathologischen Nutzungsform mindern können, benannt (Kap. 5.11). Im sechsten Kapitel folgt ein Exkurs zu den Interventionsangeboten in Deutschland (Kap. 6.1). Hierzu gibt es leider sehr wenig aussagekräftige Daten. Deshalb habe ich auf eine 2009 durchgeführte Recherche des DZSKJ zurückgegriffen, welche einen Überblick über die Angebote aus Sicht der online-recherchierenden Klientinnen und Klienten gibt. Neben einer näheren Betrachtung der Beratungs- und Behandlungsangebote soll anschließend die zahlenmäßige Entwicklung der Angebote durch eine hierfür durchgeführte Vergleichsrecherche betrachtet werden. Daraufhin wird im Kapitel 6.2 beispielhaft auf eine Interventionsmethode eingegangen, welche in meinen Augen für die Soziale Arbeit interessant ist und auf welche auch bereits von sozialpädagogischen Beratungsstellen verwiesen wird. Um die eingangs postulierte Fokussierung auf die pathologische Internetnutzung aus Sicht der Sozialen Arbeit weiter auszubauen, wird im siebten Kapitel die pathologische Internetnutzung mit dem Konzept der Lebensbewältigung von Lothar Böhnisch näher analysiert. Nach einer kurzen Erläuterung dieses Konzeptes wird die pathologische Internetnutzung auf der Grundlage des Konzepts der Lebensbewältigung betrachtet. Es werden zuerst einige grundlegende Gedanken Böhnischs zur Sucht genannt (Kap. 7.2 und Kap. 7.3), um anschließend differenziert auf die vier Grunddimensionen nach Böhnisch einzugehen (Kap 7.4). Durch diese Vorgehensweise innerhalb der Bachelorthesis soll das Ziel erreicht werden, auf die für die Soziale Arbeit besonders relevanten Aspekte der pathologischen Internutzung einzugehen. Neben einer Zusammenfassung der in dieser Bachelorthesis gewonnen Erkenntnisse soll im abschließenden achten Kapitel beurteilt werden, inwiefern dies gelang. Darüber hinaus werden festgestellte Defizite in der Forschung benannt und somit Anregungen zur weiteren wissenschaftlichen Auseinandersetzung gegeben.
Der Übergang von Haft in Freiheit - über die Möglichkeiten und Grenzen der Hilfen Sozialer Arbeit
(2012)
Die Entlassung aus der Haft stellt für ehemalige Inhaftierte ein bedeutender Augenblick dar, auf den sie über die Haftzeit hingefiebert haben, genauso kann er aber auch zu einer großen Herausforderung werden. Sich zu resozialisieren - straffrei bleiben und sozial integrieren - ist aufgrund der multiplen Problemlage der (Ex-)Inhaftierten nicht einfach und wird häufig durch Stigmatisierung von Seiten der Gesellschaft erschwert. Die Hilfen der Sozialen Arbeit im Übergang von Haft in Freiheit könnten den Klienten im Übergang von Haft in Freiheit unterstützen, sodass das Risiko vermindert wird, durch erneute Staffälligkeit wieder einzufahren. Jedoch fehlt es ihr momentan an einheitlichen Standards und Strukturen, Arbeitsabläufe an den Schnittstellen des verwirrenden Systems erschweren die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Institutionen an den Schnittstellen, Kooperationen sind selten usw. Modellprojekte des Übergangsmanagements und andere Initiativen versuchen nun, diese Missstände auszugleichen und die Straffälligenhilfe auf neue Wege zu bringen, um den Klienten eine bestmögliche Unterstützung zu bieten. Doch wie realistisch ist die Umsetzung dieser Innovationen?
Ehrenamtliches Engagement hat in den letzten Jahrzehnten verstärkte Aufmerksamkeit von Politik, Wissenschaft und Wohlfahrtsverbänden erfahren. Es ist wichtiger Bestandteil der Wohlfahrtsproduktion und wird als solcher durch vielfältige Maßnahmen gefördert. Der Bedeutungsaufschwung des Ehrenamts wird dabei nicht selten von seiten der Sozialen Arbeit kritisch gesehen. Es stellt sich die Frage, inwiefern diese Haltung begründet ist. Zu diesem Zweck wird der Einfluss des Ehrenamts auf die Profession Soziale Arbeit genauer beleuchtet. Außerdem wird untersucht, welche Folgen sich für den Umgang der Sozialen Arbeit mit dem Ehrenamt ergeben.
Die Arbeit ist ein Versuch die Bedeutung des politischen Handelns in der Sozialen Arbeit zu bestimmen. Im ersten Teil wird nach einer Definition des Politischen gesucht. Der zweite Teil fokussiert die gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen unter denen die Soziale Arbeit ihre Leistungen erbringt. Der dritte Abschnitt nimmt die politischen Handlungsmöglichkeiten der Profession in den Blick, welche ihr von Gesetzes wegen offen stehen. Nachfolgend wird eine Theorie der Sozialen Arbeit, die Lebenswelttheorie des Tübinger Sozialarbeitswissenschaftlers Hans Thiersch, exemplarisch auf ihren politischen Gehalt untersucht. Im abschließenden fünften Abschnitt werden Handlungsmaximen für eine sich politisch verstehende Soziale Arbeit entwickelt.
‚Mehr Markt-weniger Staat‘: nach diesem Prinzip verläuft die Entwicklung des Staates, der sich zurückzieht und delegiert, sowie der Gesellschaft, die immer mehr der Ökonomiesierung verfällt. Die Ökonomie bestimmt nicht nur den Staat und Sozialsysteme, sondern wirkt hinein in jeden Lebensbereich des Menschen und beeinflusst damit die zentralen Wertvorstellungen jedes einzelnen und der Gesellschaft im Allgemeinen. Die neoliberalen Gedanken bewirken eine Rückbesinnung der staatlichen Dienstleistungssysteme auf ihre Kernaufgaben, wodurch ein neues Staatsverständnis entsteht. Angesichts der schlechten Finanzlage entsteht ein öffentlicher Druck, die sozialen Leistungen zu reformieren. Im Zuge dessen sollen die ehemals kollektiv gesicherten Güter wie Sozial- und Gesundheitssicherung, Bildung und Rechtsschutz privatisiert werden. Dabei sind die individuellen finanziellen Möglichkeiten entscheidend für die Wahl und Qualität der Leistungen. Die Deutsche Gesellschaft für Sozialarbeit widmete bereits in den Jahren 1997 und 1998 zwei wichtige Tagungen den Themen ‚Ökonomisierung des Sozialen‘ und ‚Ethos der Sozialen Arbeit‘. Effizienz, Qualitätssicherung und Kundenorientierung sind neue Begriffe, die die Soziale Arbeit zurzeit dominieren. Bei den SozialarbeiterInnen löst die zutage tretende Ökonomisierung des Sozialen viele Ambivalenzen aus. Es verbreitet sich das Gefühl in der Praxis, dass die Soziale Arbeit sich auf den marktorientierten Wettbewerb und kostengünstige Erbringung von Dienstleistungen reduziert. Wo früher die Humanität und Ethik im Vordergrund standen, dominieren heute Schlagwörter wie Sozialmanagement und Marktorientierung die Diskussionen auf allen Ebenen der Sozialen Arbeit. Die SozialarbeiterInnen stehen unter enormem Druck zwischen Ethik und Effizienz die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Soziale Arbeit nimmt in vielen Bereichen einen ‚Warencharakter‘ ein. Nur die lukrativen Marktsegmente mit entsprechenden zahlungsfähigen Zielgruppen werden bedient, so dass andere Dienstleistungen reduziert werden, die nicht gewinnversprechend sind. Wenn lediglich das ‚wettbewerbsfähige Soziale‘ Überhand gewinnt, droht das ‚sinnvolle Soziale‘ zu verschwinden. „Es geht um die Frage, wie viel Ökonomisierung kann Soziale Arbeit gebrauchen, wie viel kann sie verkraften und wo sind die Grenzen, hinter denen Soziale Arbeit zu etwas mutiert, das dem fachlichen Anspruch nicht mehr gerecht werden kann.“ (Seithe 2010, S. 77). Gerade jetzt werden ethische Haltungen und Argumente immer bedeutsamer. Soziale Arbeit muss sich gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik immer mehr rechtfertigen und legitimieren. „Dafür benötigt sie in Theorie und Praxis eine rational begründungsfähige Wertebasis, die im Blick auf die Profession geeignet ist, in Form eines berufsethischen Codes handlungsorientierend zu wirken, um dadurch das Ethos der Profession in einer Binnen- und Außenperspektive repräsentieren zu können“ (Wilken 2000, S. 9). Sich mit den ethischen Ansprüchen intensiv zu beschäftigen, so sagt Wilken, trägt dazu bei, die Würde des Menschen und seine Teilhabemöglichkeiten besser zu vertreten. Gerade angesichts der einseitigen Ökonomisierungstendenzen und der unsicheren ethischen Grundlagen der Gesellschaft und des Staates, muss dies zum zentralen Ziel der Sozialen Arbeit werden (vgl. Wilken 2000, S. 7-10). „Die ethische Argumentationslinie eröffnet eine neue Perspektive in der scheinbar hoffnungslosen Auseinandersetzung zwischen Ökonomie und Sozialer Arbeit.“ (Klug 2000, S. 204)